Gewerkschafter von Neonazis attackiert

13.10.09

Bocholt - Rainer Sauer ist ein Kämpfer. Seit knapp zwei Jahren wird der 52 Jahre alte Gewerkschaftssekretär, der in Essen arbeitet und in Bocholt lebt, von Neonazis attackiert. Mal reißen ihn übelste Drohanrufe aus dem Schlaf, dann wieder sieht er sich mit anonymen Morddrohungen konfrontiert. „Einmal haben drei dieser Typen mich und meine Frau sogar im Auto angehalten und versucht, die Seitenscheibe einzutreten“, erzählt Sauer.

Ja, er habe Angst, das sagt er auch. Weil er eine Frau hat und eine 25-jährige Tochter, um die er sich sorgt. Aber aufgeben, nein, aufgeben kommt für ihn nicht in Frage. „Ich darf mich von denen nicht ein­schüchtern lassen.“

Am vergangenen Samstag bekam der Bocholter einen Brief von der münsterischen Staatsanwaltschaft, der ihn ärgert. Stand doch darin, dass die Ermittlungen ge­gen ei­nen der mutmaßlichen Täter - ei­nen Jugendlichen - nicht weiterverfolgt würden. „Wie kann das sein?“, fragt Rai­ner Sauer.

Alles begann im Mai 2007, damals hätte die rechtsextreme NPD in Bocholt mit einem Infostand auf sich aufmerksam machen wollen. Sauer wollte, konnte das nicht akzeptieren. Spontan gründete er mit Gleichgesinnten die Bür­gerinitiative „No Nazis - Bocholt stellt sich quer“. „Damals kamen rund 500 Leute, gemeinsam haben wir dann den NPD-Stand verhindert“, erzählte der 52-Jährige.

Als die Rechtsextremen wenige Monate später einen Aufmarsch in Bocholt planten, mobilisierte die Bürgerinitiative mehr als 2000 Menschen, die laut Nein sagten zu den Neonazis und deren menschenverachtende und intolerablen Sicht auf die Welt. „Wenig später fingen die Angriffe auf mich und meine Familie an“, sagt der Gewerkschafter. Zuerst warfen Unbekannte Eier gegen das Haus der Familie oder parkten Küchenschaben im Briefkasten. Taten, die man mit einem bisschen guten Willen auch noch als Böse- Jungen-Streiche abtun könnte. „Doch die Einschüchterungsversuche wurden immer aggressiver“, sagt der 52-Jährige. Anfang 2008 pöbelten Unbekannte bis tief in die Nacht vor seinem Haus, am 20. März klingelte sein Telefon. Der, der anrief, meldete sich mit „Akti­onsgruppe Bocholt“ und sagte dem entsetzten Sauer, „Rainer, wir werden dich töten“. Einen Tag zuvor hatte der 52-Jährige eine Mail erhalten, die mit „Heil Hitler“ endete. Darin stand: „Rainer, wir werden dich am Wochenende töten“. Die Polizei nahm die Drohung so ernst, dass die Familie an beiden Tagen unter Schutz gestellt wurde. Ansonsten fuhren Beamte verstärkt Streife.

Das schreckte die Rechten nicht. Im Juni des vergangenen Jahres schossen sie vor seinem Haus mit Platzpatronen, wenig später beschmierten sie seine Garage mit Nazi-Parolen. Im März dieses Jahres überfielen sie ihn „als ich mit meiner Frau abends von einer Veranstaltung nach Hause fahren wollte“, sagt er. „Sie umstellten das Auto, wollten uns herauszerren“ und traten schließlich mit „ihren Springerstiefeln gegen die Seitenscheibe.“ Zwei Jahre gefühlter Terror, Sauer war ihm ausgeliefert, tatenlos war er nicht. Er kennt einige Täter namentlich, oder meint sie zu kennen. In dem Fall des jungen Mannes, den er nach dem Anruf angezeigt hat, hatte er sogar einen Zeugen. „Ich hab den Anruf aufgezeichnet, ein Bekannter hat die Stimme ebenfalls erkannt.“

Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer kann Rainer Sauer verstehen. „Es ist nun aber so, dass der junge Mann, um den es geht, schon für andere Straftaten zu einer Jugendstrafe verurteilt worden ist“, sagt er. Und der Anruf bei der Familie Sauer sei „juristisch gesehen eine Bedrohung“, falle aber bei den „bereits verhängten Strafen nicht mehr ins Gewicht.“ So argumentiert ein Jurist. Sauer aber ist das Opfer.

„Ich werde zivilrechtlich ge­gen den jungen Mann vorgehen“, sagt er. Klein beigeben will der 52-Jährige nicht. Rainer Sauer ist ein Kämpfer.


Quelle: VON ELMAR RIES, MÜNSTER Westfälische Nachrichten

dpa Meldung

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